1. In welcher Situation kann der Betriebsrat einen Rechtsanwalt beauftragen?
Der Betriebsrat nimmt im Unternehmen eine wichtige Aufgabe wahr, denn er repräsentiert die Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber. Letzterer wird sich jedoch in juristischen Belangen regelmäßig besser auskennen als der Betriebsrat oder sogar Zugriff auf eine (externe) Rechtsabteilung haben.
Damit der Betriebsrat vor diesem Hintergrund nicht benachteiligt wird, kann er ebenfalls einen Rechtsanwalt hinzuziehen. Die Beauftragung eines Anwalts durch den Betriebsrat kann in verschiedenen Situationen erfolgen, welche wir Ihnen im Folgenden näher vorstellen.
Gerichtsprozess
Keinesfalls kann dem Betriebsrat zugemutet oder empfohlen werden, sich vor Gericht selbst zu vertreten und so eine Niederlage zu riskieren. Der Betriebsrat muss sich auch nicht mit der Vertretung durch die Gewerkschaft (§ 11 ArbGG) zufriedengeben, selbst wenn diese günstiger wäre. Er darf vielmehr auf eine kompetente und zuverlässige anwaltliche Vertretung bestehen.
Es spielt keine Rolle, ob Betriebsrat oder Arbeitgeber das Gericht angerufen haben. Die Beauftragung des Rechtsanwalts muss aber erforderlich sein. Der Betriebsrat darf deshalb insbesondere keinen offensichtlich aussichtslosen oder mutwilligen Gerichtsprozess führen.
Außergerichtliche Vertretung
Selbstverständlich darf der Anwalt des Betriebsrats auch eine außergerichtliche Einigung anstreben. In vielen Fällen ist ein solcher Ausgang sogar für alle Beteiligten wünschenswert, da er Zeit und Kosten spart.
Die Rechtsprechung ist an dieser Stelle recht großzügig. So hat etwa das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden, dass zur Durchsetzung sämtlicher Mitbestimmungsrechte in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ein Anwalt beauftragt werden dürfe. Danach reicht es aus, wenn der Betriebsrat davon ausgehen kann, dass sich durch den Rechtsanwalt eine friedliche Beilegung erreichen lässt (Beschluss vom 20.07.1999 – 3 TaBV 16/99).
Einigungsstelle
Die Einigungsstelle setzt sich aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern des Arbeitgebers und des Betriebsrats sowie einem unparteiischen Vorsitzenden zusammen (§ 76 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz – BetrVG).
Verfahren vor der Einigungsstelle sind rechtlich meist kompliziert. Der Betriebsrat kann daher einen Rechtsanwalt als Beisitzer benennen. Auch kann er sich bei Verfahren vor der Einigungsstelle von einem Anwalt beraten und vertreten lassen.
Sachverständiger
In anderen Fällen kann der Betriebsrat einen Anwalt als Sachverständigen beauftragen. Gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG hat er hierzu aber folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
- Der Betriebsrat muss den Anwalt als Sachverständigen benötigen, um seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können.
- Der Betriebsrat kann sich nicht selbst helfen, z.B. indem er unternehmensinterne Sachverständige hinzuzieht oder sich selbst kundig macht.
- Betriebsrat und Arbeitgeber müssen sich grundsätzlich über Person, Umfang und Kosten der anwaltlichen Hilfe einigen. Stimmt der Arbeitgeber nicht zu, ist der Betriebsrat auf das Arbeitsgericht angewiesen. Dieses kann die Zustimmung des Arbeitgebers (im Eilverfahren) ersetzen. Gegebenenfalls kann sich der Betriebsrat auch an die Einigungsstelle wenden.
Der Betriebsrat muss insbesondere dafür sorgen, dass die Kosten des Sachverständigen möglichst niedrig gehalten werden. Er muss daher vor der Beauftragung eines Anwalts versuchen, offene Fragen so weit wie möglich selbst zu klären.
Selbstverständlich kann vom Betriebsrat aber nicht erwartet werden, hochkomplexe juristische Sachverhalte zu erfassen und zu bewerten. Gerade wenn der Anwalt dem Betriebsrat besondere Rechtskenntnisse vermitteln soll, ist eine Hinzuziehung als Sachverständiger daher meist zulässig.
Betriebsänderung
Auch in einer solchen Situation kann der Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern gemäß § 111 S. 2 BetrVG einen Anwalt als Sachverständigen hinzuziehen. Betriebsräte in kleineren Firmen können zumindest unter den engeren Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 BetrVG einen Rechtsanwalt beauftragen. Dann ist allerdings wieder die vorherige Absprache mit dem Arbeitgeber erforderlich.
Welche Aufgaben genau der Sachverständige bei Betriebsänderungen gemäß § 111 S. 2 BetrVG wahrnehmen darf, ist unter Juristen umstritten. Die überwiegende Mehrheit billigt dem Anwalt lediglich die Unterstützung des Betriebsrats beim Interessenausgleich, nicht jedoch beim Sozialplan zu. Der Anwalt kann dem Betriebsrat also helfen, wenn er mit dem Arbeitgeber über das Ob und Wie der Betriebsänderung verhandelt, nicht aber, wenn er mit ihm über die Folgen der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer spricht.
2. Wie wird der Anwalt durch den Betriebsrat beauftragt?
Der Anwalt wird durch einen ordnungsgemäßen Beschluss des Betriebsrats beauftragt. Sofern der Betriebsrat Ausschüsse eingerichtet hat, kann auch dem entsprechenden Ausschuss die Beauftragung des Anwalts als Aufgabe übertragen werden.
Soll der Anwalt als Sachverständiger gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG beauftragt werden, muss zusätzlich eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgen.
3. Wer trägt die Kosten für den Anwalt?
Die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit für den Betriebsrat trägt grundsätzlich der Arbeitgeber, denn der Betriebsrat verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel und ist daher auf die Bezahlung durch den Arbeitgeber angewiesen. Voraussetzung ist aber ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss.
Im Rahmen der Beauftragung des Anwalts als Sachverständiger gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG müssen die Kosten des Anwalts Teil der Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sein. In vielen Fällen regeln Anwalt und Arbeitgeber das Honorar auch direkt untereinander.
4. Kann der Betriebsrat den Anwalt frei wählen?
Grundsätzlich kann der Betriebsrat selbst aussuchen, welchen Anwalt er beauftragen möchte. Diese Wahl muss nicht bereits beim Beschluss des Betriebsrats getroffen werden, sondern kann auch dem Betriebsratsvorsitzenden übertragen werden.
Soll ein Anwalt als Sachverständiger hinzugezogen werden, so müssen Betriebsrat und Arbeitgeber eine Vereinbarung über die Beauftragung treffen. Zu dieser Vereinbarung gehört auch die Person des Sachverständigen. Allerdings hat dies mehr oder weniger formalen Charakter, denn der Betriebsrat soll maßgeblich bestimmen dürfen, wem er als Berater vertraut. Lehnt der Arbeitgeber den Vorschlag des Betriebsrats also ab, kann sich der Gang vor das Arbeitsgericht lohnen.
5. Fazit
- Der Betriebsrat kann einen Anwalt als Prozessvertreter, Sachverständigen und bei einer Betriebsänderung beauftragen.
- Der Anwalt kann auch als Beisitzer bei der Einigungsstelle benannt werden.
- Die Beauftragung geschieht durch Beschluss des Betriebsrats.
- Bei einer Beauftragung als Sachverständiger müssen Betriebsrat und Arbeitgeber eine Vereinbarung über Person, Umfang und Kosten der anwaltlichen Hilfe treffen.
- Verweigert der Arbeitgeber seine Zustimmung, kann diese durch das Arbeitsgericht ersetzt werden.
- Die Kosten der Beauftragung trägt grundsätzlich der Arbeitgeber.
6. Muster: Beschlüsse für Beauftragung eines Anwalts
Wie erläutert, ist vor der Beauftragung eines Anwalts ein entsprechender Beschluss notwendig. Betriebsräte können sich an den folgenden Vorlagen orientieren und diese entsprechend anpassen.
Allgemeine Beauftragung (§ 40 Abs. 2 BetrVG)
Dieser Beschluss ist dem Arbeitgeber zur Information mitzuteilen. Das Abstimmungsergebnis muss nicht erwähnt sein.
Auch der Rechtsanwalt sollte eine Ausfertigung des Beschlusses sowie außerdem folgende Dokumente erhalten:
- Zweifach unterschriebenes Protokoll mit Abstimmungsergebnis der Betriebsratssitzung in Kopie
- Einladungen in Kopie
- Tagesordnung in Kopie
- Anwesenheitsliste in Kopie
- Evtl. ausführliche schriftliche Schilderung des Sachverhalts
- Evtl. Zeugen mit Adresse, Dokumente, Betriebsvereinbarung in Kopie etc.
Beauftragung als Sachverständiger (§ 80 Abs. 3 BetrVG)
- Der Betriebsrat beschließt, externen rechtlichen Sachverstand gem. § 80 Abs. 3 BetrVG für (zum Beispiel: Interessenausgleich- und Sozialplanverhandlungen über eine etwaige Betriebsschließung) sowie zur Vorbereitung und Unterstützung der Verhandlung mit der Geschäftsleitung hinzuzuziehen.
- Der Betriebsrat beauftragt als rechtlichen Sachverständigen die Kanzlei XXX.
- Es wird folgende Vergütungsvereinbarung getroffen: Es wird ein Honorar von XXX €/Std. zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer vereinbart. Die Abrechnung erfolgt nach tatsächlich geleistetem Aufwand im XX Minuten Takt. Die Rechnung erfolgt monatlich unter Vorlage eines Stundenzettels, welcher die Tätigkeiten und deren Beginn und Ende aufschlüsselt.
- Die Geschäftsleitung wird gebeten, der Hinzuziehung zu den genannten Bedingungen bis zum XX.XX.202X zuzustimmen.
- Der Betriebsrat beschließt bereits jetzt vorsorglich für den Fall, dass die Geschäftsleitung der Hinzuziehung nicht zustimmt, im Wege eines Beschlussverfahrens die Erforderlichkeit des Sachverstandes gerichtlich feststellen zu lassen. Zum Verfahrensbevollmächtigten wird die Kanzlei XXX bestellt.
Auch dieser Beschluss ist dem Arbeitgeber vorzulegen. Dies dient nicht nur der Information – der Arbeitgeber muss der Beauftragung zustimmen. Weigert er sich, kann sich eine Klage anbieten.
Der Rechtsanwalt sollte neben einer Ausfertigung des Beschlusses Folgendes erhalten:
- Zweifach unterschriebenes Protokoll mit Abstimmungsergebnis der Betriebsratssitzung in Kopie
- Einladungen in Kopie
- Tagesordnung in Kopie
- Anwesenheitsliste in Kopie