1. Ausgangssituation
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 BetrVG sind gewissermaßen das Herzstück des Betriebsverfassungsrechts. Wer diese Rechte geschickt einzusetzen weiß, kann in vielen Fällen auf Augenhöhe mit seinem Arbeitgeber verhandeln – und das über wichtige Fragen. Etwa über die, ob es Betriebsferien geben soll. Oder über die, wie viele und welche Mitarbeiter in den Schulferien Urlaub nehmen können. Wichtig zu wissen ist auch, wie der Betriebsrat einen Mitarbeiter im Konfliktfall unterstützen kann.
2. Wann sind die Mitbestimmungsrechte anwendbar?
Die in § 87 I Nr. 5 BetrVG normierten Mitbestimmungsrechte sind gem. § 87 I BetrVG stets nur insoweit anwendbar, wie durch Gesetze oder anzuwendende Tarifverträge noch keine abschließende Regelung getroffen wurde; also nur dann, wenn überhaupt noch Regelungsspielräume für innerbetriebliche Lösungsansätze vorhanden sind.
Die Mitbestimmungsrechte sind auch nur dann anwendbar, wenn für den geregelten Bereich kein genereller Tarifvorbehalt besteht (§ 77 III BetrVG). Dies ist unter anderem der Fall bei Vereinbarungen über Arbeitsentgelte, Urlaubsdauer und Urlaubsentgelte. Diese Angelegenheiten werden üblicherweise tarifvertraglich geregelt. Die Regelungssperre greift aber auch bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern. Diese legen die Angelegenheiten daher in individuellen Arbeitsverträgen fest.
Aus diesen beiden Umgrenzungen ergibt sich ein klar zugeschnittener Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats. Er ist – soweit nichts Anderes durch höherrangige Vereinbarungen oder durch Gesetz vorgegeben ist – „nur“ für die Aufstellung der betrieblichen Urlaubsgrundsätze und des betrieblichen Urlaubsplans mit zuständig. Bei Konflikten rund um Urlaubsfragen hat er die Mitarbeiter zudem im Einzelfall zu unterstützen.
Die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte ist nicht von einer bestimmten Betriebsgröße abhängig. Die in § 87 I BetrVG normierten Mitbestimmungsrechte erstrecken sich auf alle Betriebe, in denen ein handlungsfähiger Betriebsrat amtiert.
3. Was sind betriebliche Urlaubsgrundsätze?
Mit „betrieblichen Urlaubsgrundsätzen“ sind die Richtlinien gemeint, nach denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub gewähren soll. In diesen Richtlinien wird allgemein festgelegt, wann und unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer ihren Urlaub nehmen dürfen.
Dies gilt unter anderem für folgende Punkte:
- Zeitpunkt, bis zu dem Arbeitnehmer ihre Urlaubswünsche eintragen müssen
- Verhängung von Urlaubssperren wegen erhöhten Arbeitsanfalls
- Verteilung des Urlaubs für Arbeitnehmer mit schulpflichtigen Kindern
- Vorrang anderer bestimmter Urlaubswünsche
- Regelungen von Urlaubsvertretungen
- Festlegung von Betriebsferien
So kann der Arbeitgeber z.B. nur mit der Zustimmung des Betriebsrats für alle oder die meisten Arbeitnehmer Betriebsferien anordnen und den Betrieb somit zeitweise stilllegen. Der Arbeitgeber und der Betriebsrat können auch Betriebsferien für einzelne Tage vereinbaren, z.B. zwischen Weihnachten und Neujahr. Sie können den Arbeitnehmern gestatten, an diesen Tagen entweder bezahlten oder unbezahlten Urlaub nehmen (BAG vom 09.05.1984 – 5 AZR 412/81).
Die Mitbestimmungsrechte betreffen jedoch nicht nur den gewöhnlichen Erholungsurlaub der Mitarbeiter. Sie umfassen auch Bildungsurlaube und sogenannte Sabbaticals. Ebenso umfassen sie bezahlte Sonderurlaube wegen Hochzeit, Todesfall, usw.
4. Was versteht man unter der Aufstellung eines betrieblichen Urlaubsplans?
Die Aufstellung eines Urlaubsplans ist im Idealfall stets die logische Konsequenz der vorab mitbestimmungspflichtig festgelegten betrieblichen Urlaubsgrundsätze. Auf der Basis dieser Grundsätze wird die Gesamtheit der individuellen Urlaubsansprüche und -wünsche innerhalb der Belegschaft zu einem konkreten Jahresplan geformt. Es gilt folglich die Formel:
Ein mit der Zustimmung des Betriebsrats aufgestellter Urlaubsplan ist für den Arbeitgeber stets verbindlich. Das schließt nicht aus, dass im Einzelfall Änderungen möglich bleiben, sei es aufgrund unerwarteter betrieblicher Belange oder aufgrund kurzfristiger persönlicher Wünsche der Arbeitnehmer. Nachträgliche Änderungen des Urlaubsplans sind jedoch grundsätzlich nur mit der Zustimmung des Betriebsrats möglich.
Vom feststehenden Urlaubsplan zu unterscheiden ist die sogenannte Urlaubsliste. In die Urlaubsliste tragen die Arbeitnehmer lediglich ihre Urlaubswünsche ein. Nach dem Einholen dieser Informationen obliegt es zunächst dem Arbeitgeber, anhand der innerbetrieblichen Urlaubsgrundsätze einvernehmliche Lösungen zu finden. Doch nicht immer gelingt dies.
5. Welche Rolle spielt der Betriebsrat im Einzelfall?
Wird zwischen dem Arbeitgeber und einem einzelnen Arbeitnehmer bezüglich der zeitlichen Festlegung seines Urlaubs im Einzelfall einmal kein Einverständnis erzielt, so hat der Betriebsrat auch in den diesen Fällen zumeist ein Mitbestimmungsrecht. Das ist jedenfalls immer dann der Fall, wenn über die Auslegung und Anwendung der betrieblichen Urlaubsgrundsätze gestritten wird, z.B. wenn mehrere Arbeitnehmer zur gleichen Zeit Urlaub nehmen wollen, dies in den Augen des Arbeitgebers aber nicht realisierbar ist und die Auslegung der betrieblichen Urlaubsgrundsätze im Einzelfall strittig ist.
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bestehen im Einzelfall auch dann fort, wenn er dem Urlaubsplan bereits zugestimmt hatte. Sollte ein plötzlich auftretender und berechtigter Urlaubswunsch eines Arbeitnehmers mit anderen berechtigten und bereits bestätigten Urlaubswünschen konkurrieren, so sind die Urlaubswünsche anhand der betrieblichen Urlaubsgrundsätze und nach billigem Ermessen erneut gegeneinander abzuwägen (§ 75 I 1 BetrVG), was dann auch eine Änderung des Urlaubsplans zur Folge haben kann.
6. Wie sollten Betriebsräte am besten vorgehen?
Missachtet der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 I Nr. 5 BetrVG, ergeben sich für ihn sowohl Konsequenzen auf individualvertraglicher, als auch auf kollektivrechtlicher Ebene. Individualvertraglich sind die unter Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vorgenommenen Maßnahmen gegenüber Arbeitnehmern stets unwirksam. Diese Rechtsfolge dient dem Schutz der Rechte der Arbeitnehmer und der des Betriebsrats.
Kollektivrechtlich stehen dem Betriebsrat bei der Übergehung seiner Mitbestimmungsrechte zwei sehr relevante Ansprüche gegen den Arbeitgeber zu. Zum einen ist dies der allgemeine Unterlassungsanspruch nach § 87 BetrVG. Zum anderen kann der Betriebsrat gem. § 23 III 1 Alt. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht auch beantragen, dass der Arbeitgeber die Umsetzung des Urlaubsplans zu unterlassen hat. Handelt der Arbeitgeber dieser gerichtlichen Entscheidung zuwider, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht den Antrag stellen, diesen wegen der Zuwiderhandlung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen.
7. Zusammenfassung
- Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG sind das Herzstück des Betriebsverfassungsrechts
- Betriebsräte haben nach Abs. 1 Nr. 5 ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung betrieblicher Urlaubsgrundsätze und betrieblicher Urlaubspläne
- es bestehen keine Mitbestimmungsrechte, soweit durch Gesetz oder anzuwendende Tarifverträge eine abschließende Regelung getroffen wurde
- Mitbestimmungsrechte sind nicht von einer bestimmten Betriebsgröße abhängig
- Mitbestimmungsrechte umfassen Sabbaticals, Erholungs-, Bildungs- und Sonderurlaube
- betriebliche Urlaubsgrundsätze sind Richtlinien, nach denen Urlaub gewährt werden soll
- auf deren Basis wird die Gesamtheit der Urlaubsansprüche zu einem Jahresplan geformt
- wird im Einzelfall kein Einverständnis erzielt, hat der Betriebsrat auch hier ein Mitbestimmungsrecht
- seine Mitbestimmungsrechte bestehen im Einzelfall auch nach Bestätigung des Urlaubsplans fort
- unter Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte vorgenommene Maßnahmen sind unwirksam
- Betriebsräte können beim Arbeitsgericht beantragen, dass die Umsetzung des Urlaubsplans zu unterlassen ist