Mitbestimmung durch den Betriebsrat im Gemeinschafts­betrieb

In einem Gemeinschaftsbetrieb schließen sich mehrere Arbeitgeber zu einem Betrieb zusammen. Welche Folgen das für die Mitbestimmung hat, erläutern wir in diesem Beitrag.

1. Was ist ein Gemeinschaftsbetrieb?

Ein Betrieb muss nicht unbedingt von einem Arbeitgeber alleine geführt werden. Insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen kann es Sinn machen, dass sich mehrere Firmen zusammentun, um den Betrieb fortan gemeinschaftlich zu führen.

Beispiele:

  • Zwei Arztpraxen schließen sich zu einer Gemeinschaftspraxis zusammen.
  • Bei großen Bauaufträgen arbeiten häufig auch Bauunternehmen in sog. Bauarbeitsgemeinschaften gemeinsam.

Meist geht es darum, Kosten insbes. beim Personal zu sparen und so den Betrieb besser koordinieren zu können.

Es ist wichtig zu verstehen, dass „Betrieb“ im Sinne des Mitbestimmungsrechts nicht gleichbedeutend mit „Arbeitgeber“ ist. Ein Arbeitgeber kann durchaus mehrere Betriebe haben. Ein Betrieb ist lediglich eine „organisatorische Einheit“ beim Arbeitgeber, z.B. ein einzelner Fabrikstandort.

Einen „neuen Arbeitgeber“ bekommen die Arbeitnehmer durch den Gemeinschaftsbetrieb gerade nicht. Arbeitgeber bleiben die jeweiligen Einzelunternehmen. Für alle arbeitsvertraglichen Angelegenheiten bleiben diese zuständig.

Beispiel: Erhält ein Arbeitnehmer eine Kündigung, muss er seine Kündigungsschutzklage alleine gegen das Unternehmen richten, das ihn beschäftigt.

Ein Gemeinschaftsbetrieb liegt bei einem „gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen“ (vgl. § 1 Absatz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG)) aber nicht automatisch vor. Eine genaue Definition entstand erst durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Danach müssen die beiden folgenden Voraussetzungen gegeben sein, damit von einem Gemeinschaftsbetrieb gesprochen werden kann:

Gemeinsame Betriebsmittel

Das Bundesarbeitsgericht formuliert: „Die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel [müssen] für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden“ (zuletzt 2 AZR 38/19).

Die gemeinsame Nutzung materieller und immaterieller Betriebsmittel kann viele Formen annehmen. So können zum Beispiel Maschinen und Werkzeuge gemeinschaftlich verwendet werden. Lizenzen und Patente können mitbenutzt werden. Auch kann das Betriebsgelände entsprechend ausgeweitet werden.

Führungsvereinbarung

In der Praxis liegt meist der Fokus auf der sog. Führungsvereinbarung.

Darunter versteht das Bundesarbeitsgericht, dass „der Einsatz der Arbeitnehmer […] von einem einheitlichen Leitungsinstrument gesteuert“ wird (zuletzt 2 AZR 38/19).

In der Führungsvereinbarung beschließen die Unternehmen, sich zur gemeinsamen Führung rechtlich zu verbinden. Dies kann schriftlich erfolgen. Aber auch schlüssiges Handeln ohne eine schriftliche Abrede ist ausreichend.

Die einheitliche Leitungsmacht muss sich vor allem auf die Funktionen des Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Es ist daher nicht ausreichend, wenn zwei Unternehmen demselben Konzern angehören und unter dessen gemeinsamer Leitung stehen. Es geht nämlich nicht darum, die Unternehmen als solche zu leiten, sondern die einzelnen Arbeitnehmer.

Eine Absicht zur Gestaltung eines Gemeinschaftsbetriebes ist im Übrigen nicht notwendig. Es kommt einzig darauf an, wie die beteiligten Unternehmen nach außen auftreten.

Beispiele für einen Gemeinschaftsbetrieb

Anhand bestimmter äußerlich erkennbarer Umstände kann im Einzelfall auf einen Gemeinschaftsbetrieb geschlossen werden. Dies können unter anderem sein:

  • organisatorische Verknüpfung von Arbeitsabläufen (z.B. Urlaubsplanung)
  • gemeinsame Personalabteilung
  • gemeinsames Sekretariat
  • gemeinsame Räumlichkeiten
  • gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln
  • gemischte Büros oder gemischte Teams
  • Unternehmen sind unter der gleichen Firmenanschrift im Handelsregister eingetragen
  • Personenidentität vom Geschäftsführer oder Gesellschafter

Es müssen immer mehrere dieser Indizien vorliegen. Die personelle Identität des Geschäftsführers oder des Gesellschafters für sich allein reicht also nicht aus.

Gemeinschaftsbetrieb wird teilweise vermutet

Soweit es um Angelegenheiten des Betriebsrats geht, wird das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs zum Teil vermutet. Dies erleichtert es im Streitfall dem Betriebsrat, sich auf die u.g. Besonderheiten berufen zu können. Dies ist der Fall, wenn

  • Betriebsmittel (Räumlichkeiten, Maschinen, gemeinsame Lohnbuchhaltung,…) und Arbeitnehmer gemeinsam eingesetzt werden; im Ergebnis muss dann nicht mehr bewiesen werden, dass die oben angesprochene Führungsvereinbarung vorliegt.
  • nach einer Unternehmensspaltung ein Betrieb dem anderen abgespaltenen Unternehmensteil zugeordnet wird und sich die Organisation dieses Betriebs dadurch nicht wesentlich ändert.

2. Welche Folgen hat ein Gemeinschaftsbetrieb für den Betriebsrat?

Auch in einem Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen kann ein Betriebsrat gewählt werden. Dieser ist dann zuständig für den gesamten Gemeinschaftsbetrieb und übernimmt die Aufgaben eines regulären Betriebsrats.

Für den Betriebsrat eines Gemeinschaftsbetriebs gelten allerdings einige Besonderheiten:

Ansprechpartner

Ansprechpartner des Betriebsrats kann entweder die Betriebsleitung des Gemeinschaftsbetriebs oder der jeweilige Arbeitgeber des betroffenen Arbeitnehmers sein. In sozialen Angelegenheiten (z.B. Arbeitszeiten, Öffnungszeiten der Kantine,…) sollte der Betriebsrat sich wegen des Bezugs zur gesamten Belegschaft regelmäßig an die Betriebsleitung wenden. In formaler Hinsicht hat er seine Anträge also an alle Arbeitgeber zu richten, die an der Betriebsleitung beteiligt sind. Geht es hingegen um personelle Angelegenheiten (z.B. Eingruppierung), ist Ansprechpartner meist der jeweilige Arbeitgeber. Bei der Kündigung eines Arbeitnehmers hat der jeweilige Arbeitgeber den Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs anzuhören.

Berechnung von Schwellenwerten

Schwellenwerte knüpfen eine Rechtsfolge an eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern. Sind in einem Betrieb etwa zusammen mehr als fünf minderjährige Arbeitnehmer oder Auszubildende unter 25 Jahren tätig, ist eine Jugend- und Auszubildendenvertretung einzurichten. Bei einem Gemeinschaftsbetrieb werden zum Teil sämtliche Arbeitnehmer berücksichtigt, die in diesem tätig sind. Es werden dann also nicht die jeweiligen Arbeitnehmer der verschiedenen Arbeitgeber separat gezählt. Bedeutung hat dies unter anderem für folgende Fragen:

  • Kann ein Betriebsrat überhaupt gebildet werden?

Betriebsräte können nur in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf wahlberechtigten und drei wählbaren Arbeitnehmern gebildet werden. Es kommt auf die Größe des Gemeinschaftsbetriebs an.

  • Sind Betriebsratsmitglieder freizustellen?

Ab einer regelmäßigen Beschäftigtenzahl von 200 Mitarbeitern hat der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer für ihre Tätigkeit im Betriebsrat freizustellen. Dabei kommt es auf die Größe des Gemeinschaftsbetriebs an.

  • Hat der Betriebsrat bei personellen Einzelmaßnahmen Beteiligungsrechte?

In Unternehmen (nicht: Betrieben) mit regelmäßig mehr als 20 Mitarbeitern hat der Betriebsrat z.T. weitreichende Rechte bei Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen und Versetzungen. Unter anderem ist seine Zustimmung zu diversen Maßnahmen einzuholen. Nach dem Wortlaut kommt es auf die Größe des Unternehmens – also des einzelnen Arbeitgebers – an.

Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch entschieden, dass es jedenfalls bei Versetzungen auf die Größe des Gemeinschaftsbetriebs ankommt. Sollte nur der Gemeinschaftsbetrieb, nicht aber die jeweiligen einzelnen Unternehmen regelmäßig mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigen, besteht das Beteiligungsrecht für den Gemeinschaftsbetrieb daher trotzdem. Ob diese Rechtsprechung auch auf Einstellungen, Eingruppierungen und Umgruppierungen erweitert wird, bleibt abzuwarten. Davon wird in der Literatur teilweise ausgegangen.

  • Hat der Betriebsrat bei Betriebsänderungen Beteiligungsrechte?
111 BetrVG: In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten.

Trotz des eindeutigen Wortlauts ist umstritten, ob auf die Größe des einzelnen Arbeitgebers oder die des Gemeinschaftsbetriebs abzustellen ist. Entscheidungen der höheren Gerichte gibt es dazu noch nicht.

Unser Rat: Es spricht vieles dafür, dass der Betriebsrat zu beteiligen ist.

Kosten

Die individuellen Kosten der Tätigkeit eines einzelnen Betriebsratsmitglieds trägt der jeweilige Arbeitgeber (Schulungen, Freistellungen,…).

Für die allgemeinen Kosten des Betriebsrats müssen die beteiligten Unternehmen als Gesamtschuldner aufkommen (Sachverständige, Sachmittel,…). Der Betriebsrat kann sie also z.B. von einem Arbeitgeber vollständig ersetzt verlangen. Letzterer kann einen Teil der Kosten dann beim anderen Arbeitgeber geltend machen.

3. Unterschied zum Gesamtbetriebsrat

Der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs ist zu unterscheiden vom sogenannten Gesamtbetriebsrat. Ein solcher wird in Unternehmen gebildet, die mehrere Betriebsräte haben. Der Gesamtbetriebsrat wird ausschließlich in Angelegenheiten des gesamten einzelnen Unternehmens tätig, nicht aber in solchen des Gemeinschaftsbetriebs. Allerdings entsendet der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs Mitglieder in die jeweiligen Gesamtbetriebsräte der einzelnen Unternehmen.

4. Fazit

  • Ein Gemeinschaftsbetrieb ist im Wesentlichen ein Zusammenschluss mehrerer Arbeitgeber zu einem Betrieb. Es müssen gezielt Betriebsmittel gemeinsam eingesetzt werden und die Arbeitgeber müssen die gemeinsame Führung vereinbaren.
  • Mitarbeiter erhalten im Gemeinschaftsbetrieb keinen neuen Arbeitgeber.
  • Auch in einem Gemeinschaftsbetrieb kann ein Betriebsrat gewählt werden.
  • Besonderheiten ergeben sich u.a. hinsichtlich der Ansprechpartner und arbeitsrechtlicher Schwellenwerte. Da für deren Berechnung die Beschäftigtenanzahl des Gemeinschaftsbetriebes ausschlaggebend ist, stärkt dies die Beteiligungsrechte des Betriebsrates.