1. Ausgangssituation
Wollen Sie als Mitglied eines Betriebsrates an einem Seminar oder einer Schulung teilnehmen, so tun Sie gut daran, dies vorher mit Ihrem Arbeitgeber abzustimmen. Dies beugt nicht notwendigen Konflikten vor und trägt Ihrerseits zu einem guten Unternehmensklima bei.
Zuweilen wird Ihr Arbeitgeber über Ihr Begehren aber dennoch wenig erfreut sein und versuchen, Ihnen die Teilnahme am Seminar zu erschweren oder gänzlich zu versagen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Ihr Arbeitgeber muss Sie zum einen bezahlt von der Arbeit freistellen, zum anderen die Kosten für Seminar, Reise und Unterbringung tragen und des Weiteren damit rechnen, dass das Ihnen vermittelte Wissen dem Betriebsrat in der Zukunft zu mehr Einfluss verhelfen wird.
2. Gibt es ein Recht auf Seminarteilnahme?
Vor diesem Hintergrund hat die Frage, ob es ein gesetzliches Recht auf Seminarteilnahme gibt, für Betriebsräte größte Relevanz. Der Gesetzgeber hat diese Frage klar beantwortet:
Bei der Frage der Erforderlichkeit kommt es nach der Rechtsprechung des BAG auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb und die konkreten Verhältnisse im Betriebsrat an. Für Grundkenntnisse sind keine konkreten betriebs- oder betriebsratsbezogenen Anlässe notwendig. Bei Seminaren über Spezialkenntnisse kommt es hingegen auf die konkreten Belange vor Ort an. Dem Betriebsrat steht hierbei ein relativ weiter Beurteilungsspielraum zu. Dies gilt auch für die Frage, bei welchem Anbieter und zu welchen Kosten das Seminar besucht wird.
3. Muss der Arbeitgeber der Teilnahme zustimmen?
Der Arbeitgeber muss Seminarbesuchen seiner Betriebsratsmitglieder in der Regel nicht zustimmen, da diese grundsätzlich nicht genehmigungspflichtig sind.
Eine Ausnahme hiervon besteht allerdings dann, wenn dem Seminarbesuch vorübergehend betriebsbedingte Gründe entgegenstehen. So hat der Betriebsrat bei der Wahl des Zeitpunktes zu berücksichtigen, dass durch den geplanten Schulungsbesuch der reibungslose Betriebsablauf nicht gefährdet wird, etwa weil eine saisonale Auftragsspitze zu erwarten ist oder weil die Vertretung des an der Schulung teilnehmenden Betriebsratsmitglieds nicht sichergestellt ist. Will ein Betriebsratsmitglied dennoch zu einem solchen Zeitpunkt an einem Seminar teilnehmen, so muss der Arbeitgeber dem zustimmen.
4. Wie sollten Betriebsräte bei Konflikten vorgehen?
Wenn ein Betriebsrat zu der Auffassung gelangt, dass ein Seminar für die teilnehmenden Betriebsratsmitglieder erforderlich sei, muss er zuallererst einen ordnungsgemäßen Beschluss fassen („Betriebsratsmitglied X von … bis … auf eine Schulung nach § 37 Absatz 6 BetrVG zum Thema … zu entsenden.“). Dies und die zu erwartenden Kosten sind dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Der Beschluss über die Seminarteilnahme darf außerdem nicht später als zwei Wochen vor dem Seminar gefasst werden. Auf diese Weise soll der Arbeitgeber auch die Möglichkeit erhalten zu prüfen, ob seiner Ansicht nach die Voraussetzungen des § 37 BetrVG erfüllt sind.
Kommt der Arbeitgeber zu dem Schluss, dass die betrieblichen Notwendigkeiten nicht ausreichend berücksichtigt wurden, so kann er nach § 37 Abs. 6 S. 5 BetrVG die Einigungsstelle einschalten, die dann verbindlich über den Fall entscheidet. In dieser Situation muss der Betriebsrat abwarten, wie die Einigungsstelle entscheidet und hat die Teilnahme an der Schulung so lange zurückzustellen. Auch der Betriebsrat kann sich im Konfliktfall seinerseits an das Arbeitsgericht wenden und um die Feststellung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Schulung bitten.
Lassen Sie sich als Betriebsrat in einem solchen Fall unbedingt von einem erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht beraten. Die Anwälte der Betriebsratskanzlei – Fink und Partner verfügen über jahrelange Erfahrung bei der Vertretung von Betriebsräten und bieten ihnen eine Rundum-Betreuung in allen Rechtsfragen.
5. Wer trägt das Kostenrisiko?
Fährt das Betriebsratsmitglied ohne Einverständnis des Arbeitgebers zu einem Seminar, sind zwei Kostenpositionen voneinander zu unterscheiden:
- Bezüglich der Übernahme der Seminarkosten durch den Arbeitgeber inklusive Übernachtung, Verpflegung und Fahrtkosten hat der Betriebsrat als Gremium gegenüber dem Arbeitgeber einen Feststellungsanspruch nach § 40 Absatz 1 BetrVG. Diesen Feststellungsanspruch kann der Betriebsrat auch per Beschluss an den Seminarveranstalter abtreten. Da der Betriebsrat als Vertragspartner des Seminaranbieters vermögenslos ist, trägt bezüglich dieser Kosten allein der Seminaranbieter das finanzielle Risiko.
- Bezüglich des Anspruches auf Entgeltfortzahlung während der Zeit des Seminarbesuches trägt das jeweilige Betriebsratsmitglied das finanzielle Risiko. Es hat einen eigenen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Diesen müsste es gegebenenfalls selbst innerhalb etwaiger Ausschlussfristen geltend machen bzw. einklagen. Sollte das Gericht die Erforderlichkeit jedoch verneinen, erhält das entsprechende Betriebsratsmitglied im schlimmsten Fall kein Entgelt für die Zeit des Seminarbesuches.
6. Zusammenfassung
- Betriebsratsmitglieder haben das Recht, an Seminaren und Schulungen teilzunehmen
- versuchen Sie in erster Linie dennoch, Einigkeit mit Ihrem Arbeitgeber zu erzielen
- der Betriebsrat muss einen ordnungsgemäßen Beschluss bzgl. der Seminarteilnahme fassen
- die Teilnahme ist grundsätzlich nicht genehmigungspflichtig
- dem Zeitpunkt des Seminars können unter strengen Voraussetzungen jedoch
betriebsbedingte Gründe entgegengehalten werden - beide Seiten können die Erforderlichkeit des Seminars im Zweifel überprüfen lassen
- das Kostenrisiko bzgl. des Seminars trägt der Seminarveranstalter
- das Kostenrisiko bzgl. der Entgeltfortzahlung trägt das teilnehmende Betriebsratsmitglied